Alle korrupt. Immer.

Grafik mit verschieden großen und farbigen Punkten und dazu verteilt die Begriffe korrupt, machtgeil, Verräter, immer, alle

Ich möchte heute zu einem schönen Thread von Mela Eckenfels auf Mastodon Stellung nehmen. Das fällt mir nicht ganz leicht, denn ich möchte ja nicht undankbar oder weinerlich erscheinen. Ist auch immer etwas schwierig wenn man so ein bisschen über sich selbst schreibt. Geht aber ja eigentlich auch gar nicht um mich.

Bevor ich weiterschreibe, will ich erstmal den Thread von Mela hier einfügen und sehr zur Lektüre empfehlen:

Mela Eckenfels

Weil es mir gerade auffällt:

Bitte versucht euch selbst einzufangen, wenn ihr beginnt, Politikern als Gruppe gemeinsame Eigenschaften zuzuschreiben. Im Sinne von " … alle Politiker sind korrupt …", "… alle Politiker tendieren zu $EINSTELLUNG …". Und zwar in erster Linie euch selbst zuliebe.

Diese Denkweise sieht "Politiker" als definierte, von euch und "normalen Menschen" abgegrenzte Gruppe.

Fakt ist: Jeder kann Politiker werden.
1/5

24. December 2025, 19:53 118 Boosts 208 Favoriten

Mela Eckenfels

Dazu muss man nur einer Partei beitreten und sich in der Lokalpolitik engagieren.

In dem Moment, in dem man Politiker als definierte, andere 'Spezies' von sich selbst sieht, beginnt Populismus, beginnt Othering, und man schiebt den ersten Zeh über die Schwelle zum Verschwörungsdenken.

So unbequem die Realität ist. Sie lautet:

– Politiker sind normale Menschen
– Politiker kochen auch nur mit Wasser
2/5

24. December 2025, 19:53 16 Boosts 77 Favoriten

Mela Eckenfels

Was ich damit nicht meine (und was ich auch nicht abstreite), ist die ungute und zu einheitliche Zusammensetzung unserer Parlamente und Parteien ab Landespolitik.

Zu viele BWLer, zu viele Juristen, zu viele Lehrer, zu viel Mittelschicht, definitiv zu viel Adel, zu männlich, zu wenig Arbeiterkinder, zu wenig Migrationserfahrung, und fast keine Menschen mit Behinderungen.
3/5

24. December 2025, 19:54 8 Boosts 67 Favoriten

Mela Eckenfels

Damit meine ich auch nicht Eigenschaften, die man braucht, um in der Politik oberhalb der Lokalpolitik zu bestehen, wie eine überdurchschnittliche Stamina.

Korruption beispielsweise ist, ähnlich wie Infektionskrankheiten, kein individuelles Problem, keine (oder jedenfalls nicht nur) individuelle Verfehlung, sondern vor allem ein Problem eines Systems von Macht und Einfluss, das zu lange zu wenig Korrektur und Kontrolle erfahren hat.

Seid kritisch.
4/5

24. December 2025, 19:54 6 Boosts 56 Favoriten

Mela Eckenfels

Auch euch selbst und den Abkürzungen gegenüber, mit denen ihr euch die Welt verstehbar macht.
5/5

24. December 2025, 19:54 4 Boosts 49 Favoriten

Ich möchte das aus der Sicht eines Kommunalpolitikers kommentieren. Wir sind laut Deutschlandfunk rund 200.000 im Land. Ich bin seit 2004 aktiv, seit 2009 Gemeinderat und seit 2019 Kreisrat. Aktuell bin ich auch Vorsitzender meines SPD Ortsvereins Kaiserstuhl Tuniberg und meines SPD Kreisverbands Breisgau Hochschwarzwald.

All diese Ämter nehmen den absoluten Großteil meiner Freizeit ein und keines davon bringt mir nennenswerte Einnahmen. Wegen der Sitzungsgelder lässt sich niemand in einen Dorfgemeinderat oder einen ländlich geprägten Kreistag wählen.

Tatsächlich erfahre ich für meine Arbeit im sogenannten „real life“ im Dorf auch echte Anerkennung und Wertschätzung. Das bedeutet mir sehr viel und das ist auch keine Eitelkeit. Das geht ganz sicher auch allen anderen in den Vereinen engagierten Menschen genauso.

In den sozialen Medien – und damit meine ich auch Mastodon – ist das aber oft anders. Da werden alle über einen Kamm geschoren. Kann man auch schön in dem ein oder anderen Kommentar unter Melas Thread nachlesen und auch ich bekomme zumindest auf dem Mastodon-Account meines Ortsvereins auch schon mal Kommentare, die an Verachtung nicht zu überbieten sind. Zuletzt hier.

Ich halte das schon aus, denn erstens habe ich ausreichend Fell und zweitens siehe vorletzter Absatz. Will hier auch überhaupt nicht auf die Tränendrüse drücken.

Es gibt aber schon Tage und Momente, da nagt das einem. Ich kann mir sehr lebhaft vorstellen, dass sich politisch interessierte Bürger:innen das nicht antun wollen. Wer will schon gerne persönlich für die vermeintlichen oder echten Verfehlungen oder Fehler einer Partei vor mehreren Jahrzehnten verantwortlich gemacht werden.

Wenn sie sich also engagieren willen, dann lieber außerhalb der Parteien. Das beobachten wir in Baden-Württemberg seit langer Zeit und das ist vermutlich auch andernorts ähnlich. Es engagieren sich insgesamt weniger und die, die noch mitmachen wollen, finden sich eher zu freien, unabhängigen, wilden Listen zusammen. Das ist ihr gutes Recht und ich will das nicht ins Lächerliche ziehen. Aber oft fühlt man sich dann schon an Monty Python erinnert und verwechselt die Volksfront von Judäa mit der judäischen Volksfront.

Damit bricht den „großen Parteien“, die dann halt doch die Geschicke des Landes beeinflussen, aber Nachwuchs und Basis weg. Mithin also die Anbindung von „denen da oben“ an „die da unten“. An der Stelle wird die ganze pauschale Verteufelung der Berufspolitiker dann also so etwas wie eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Kommentare

23 Antworten zu „Alle korrupt. Immer.“

  1. @ossis-blog gut geschrieben!

    Ich versuche auch immer bei der Dorffeuerwehr zu erklären (wenn mal wieder über "die da oben", "die Scheißpolitiker" geschimpft wird), dass es bei Politiker:innen so ne und solche gibt, dass es ein Knochenjob ist, den ich nicht machen wollen würde, dass es da schon auch viele Arschlöcher gibt aber auch sehr viele Leute, die Zeit, Kraft und Gesundheit opfern, um Dinge zum Besseren zu verändern.

    1. Oswald Prucker

      Eigentlich ist es ja auch nicht schwer: Pauschalisierungen sind immer falsch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert