Bundesinnenminister Dobrindt plant etwas, das er Sicherheitspaket nennt, das aber bei genauerer Betrachtung tatsächlich einer vollständigen Überwachung der Bevölkerung gleichkommt. Alle im Internet frei zugänglichen Bilder sollen erfasst werden, damit sie mit den biometrischen Merkmalen von Verdächtigen abgeglichen werden können. Dieser Abgleich soll dann auch noch mit der Software einer amerikanischen (!) Firma erfolgen, dessen Gründer names Peter Thiel die Demokratie geradeheraus ablehnt. Zu diesem Peter Thiel gibt es einen sechsteiligen Podcast beim Deutschlandfunk.
„Vollständige Überwachung“ schreibe ich und das klingt für viele vermutlich derart apokalyptisch, dass sie es wieder für diese typische Übertreibung der nervigen Datenschützer halten. Denn, wie wir ja alle wissen bremst der Datenschutz in unserem Land ja sowieso alles und die Polizei im Besonderen aus.
Abgleich mit frei zugänglichen Fotos aus dem Internet? Das scheint doch mal wenig aufregend, oder? So etwas wie Google Bildsuche halt. Man (hier die Polizei) lädt ein Foto hoch und lässt die Suchmaschine ähnliche Bilder finden und fertig ist die Laube. Die ähnlichen Bilder schaut man sich genauer an und findet vielleicht heraus, wer denn der Verdächtige so ist.
Auf der Spaßebene hatten wir das so ähnlich ja auch erst im Frühjahr, als vor der Bundestagswahl irgendwann die große Ähnlichkeit zwischen Boris Pistorius und Armin Laschet aufgefallen ist und zu einer Vielzahl von teils wirklich sehr lustigen Memes führte. Wer möchte, darf gerne (nochmal) das Quiz zu den beiden beim WDR machen.
Aber so einfach und so lustig ist das nicht. Eine biometrische Analyse geht viel weiter und wenn Ergebnisse ähnlich schnell auf dem Bildschirm landen sollen, dann geht das nur mit vorher ausgewerteten Daten, d.h. der genauen Bestimmung von biometrischen Daten. Ziemlich aufwändig, das Ganze. Schaut euch gerne mal den Wikipedia-Artikel zur Biometrie an. Mit anderen Worten: Man muss die Bilder vorher ziehen, auswerten und alles zusammen in eine Superdatenbank über die gesamte Bevölkerung und darüber hinaus packen.
Ich habe dazu mal so halb im Spaß (nee, eigentlich ziemlich ernst gemeint) eine Social Media Aktion beim Innenministerium vorgeschlagen:
„Urlaubszeit – Fotozeit! Da kommen wir mit unserer Bilderdatenbank gar nicht nach. Denke an deine Sicherheit und hilf uns bei der Überwachung der Bevölkerung! Schicke deine Fotos an poststelle@bmi.bund.de”
Stelle dir diesen Text auf einem typischen Familienurlaubsfoto vor. Man kann bestimmt auch ein TikTok-Video basteln!
Es geht aber nicht nur um irgendein Bild. Aus einem Bild kann man viele Merkmale und Daten ziehen. Natürlich erstmal, wer alles drauf ist, dann aber auch wo die Personen waren und so weiter. Wer immer mal wieder was postet, der verrät der Polizei dann sein Persönlichkeits- und Bewegungsprofil. All das landet dann nicht in irgendeiner Datenbank. Dafür braucht es dann schon noch spezielle Software, die nach gängiger Innenpolitikermeinung in Europa nicht vorhanden ist. Das mag daran liegen, dass nach gängiger Innenpolitikermeinung die Vorschriften auf dem alten Kontinent da viel zu streng sind. Datenschutz, Freiheitsrechte und so.
Also muss es USA sein und letztlich ist es der Plan „sensibelste persönliche Daten den Palantirs dieser Welt zur Verfügung zu stellen“. So formulierte es der D64-Vorsitzende Erik Tuchtfeld.
Aus all diesen Gründen schließe mich dem starken Widerstand der Zivilgesellschaft gegen Dobrindts Pläne an. Das „Sicherheitspaket 2.0“ ist ein „Unsicherheitspaket“ und greift elementare Grundrecht direkt an. Mag ja sein, dass vieles davon von der Gerichten wieder eingefangen wird. Es ist dann trotzdem wieder ein „zwei vor und eins zurück“ in Richtung Überwachungsstaat.
Zwanzig Organisationen haben die Gründe dafür in einem offenen Brief an die Bundesregierung zusammengefasst. Titel: Es werden alle überwacht: Biometrische Gesichtserkennung stoppen! Initiiert wurde der Brief vom digitalpolitischen Verein D64.
Nun ist es natürlich immer einfach, gegen etwas zu sein. Und es stimmt selbstverständlich auch, dass die Polizei neue Mittel für ihre Arbeit braucht. Zu diesem Thema empfehle ich diesen Audiobeitrag von Falk Steiner beim Deutschlandfunk. Natürlich braucht es digitale Polizeiarbeit und das braucht auch schlicht die richtigen Werkzeuge. Das geht schon beim funktionierenden Diensthandy los, aber endet da nicht. Es gibt grundrechtskonforme Lösungen und die sollten dann tatsächlich auch mal umgesetzt werden. Das ist dann zwar sicher weniger spektakulär, als eine medienwirksame Ankündigung großer Pläne, die angeblich alle Probleme lösen werden, aber es wäre … hilfreich?
Und zum Ende vielleicht noch ein kurzer Hinweis zu dem oft gehörten „Ich habe nichts zu verbergen“. Dazu gibt es einen Gastbeitrag von Leena Simon auf dem Kuketz-Blog, der die Mythen rund um diesen Satz schön zusammenfasst und entlarvt.
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