Zeh und Voßkuhle zum Umgang mit den Rechtsextremen

Grafik mit Screenshots der im Text besprochenen Interviews.

Ich habe dieser Tage zwei Interviews zum Erstarken der rechtsextremen AfD und der Gefahr für unsere Demokratie gelesen. Beide kommen in ihrer Analyse zur aktuellen Situation zu recht ähnlichen Ergebnissen, empfehlen aber grundsätzlich andere Maßnahmen.

Es lohnt sich, beide Interviews vollständig zu lesen, denn beide werden in den üblichen Häppchen in den asozialen und auch in den sozialen Medien sehr stark verkürzt, was dem ganzen in der Regel nicht gerecht wird.

Es geht um diese beiden Interviews:

Sehr interessant finde ich, dass beide mit sehr unterschiedlichen Blickwinkeln auf die aktuelle Situation schauen.

Frau Zeh wohnt in Brandenburg in einen Dorf, in dem mittlerweile über 50% der Menschen AfD wählen. Viele von diesen Menschen kennt sie auch. Sie hat also vielleicht eher so etwas wie eine Innensicht. Aus dieser Sicht beschreibt sie die AfD-Wähler tatsächlich als klassische Protestwähler, die sich vor allem gegen „die herkömmlichen Parteien“ wenden, von denen sie nichts mehr erwarten, „weil es an allen Ecken und Enden an der simplen Grundversorgung fehlt: Bildung, Mobilität, Gesundheit, Pflege, bezahlbarer Wohnraum.“ Von der AfD erwarten sie zwar auch keine Antwort auf diese Fragen (!), aber immerhin ist die AfD „anschlussfähig mit dem, was sie so rumplärrt, mit ihrer Elitenfeindlichkeit und Verachtung für Politiker“. Das mache ihre Nachbarn aber nicht per se demokratiefeindlich. Deren Kritik gilt eher einem von oben herab regiert werden. Bitte beachten: Zeh beschreibt die „Elitenverachtung“, macht sie sich aber nicht zu eigen.

Herr Voßkuhle schaut aus einer höheren Flughöhe auf die Situation und verweist auf die allgemeinen internationalen Entwicklungen hin zu totalitären Regimen. Er sagt: „Wenn sich fast überall auf der Welt ein Rechtsruck vollzieht und totalitäre Systeme aufkeimen, wird es immer unwahrscheinlicher, dass Deutschland sich diesem Trend dauerhaft entziehen kann. Deutschland ist kein gallisches Dorf!“ Auch er sieht aber nicht, dass die AfD-Wähler mit ihrer Wahl die Demokratie abschaffen wollten. Vielmehr würden die Wähler oder Sympathisanten darauf hoffen, dass sich die gemäßigten Kräfte in der Partei durchsetzen würden. Voßkuhle nennt diese Hoffnung aber „offensichtlich naiv“. Er weist darauf hin, dass sich solche Bewegungen fast immer weiter radikalisieren und sagt im Wortlaut: „Die AfD will den Parlamentarismus westlicher Prägung abschaffen.“ Auch bei ihm fällt der Begriff der „korrupten Eliten“.

So sehr sich nun das Ergebnis der jeweiligen Analyse ähnelt, so unterschiedlich fallen bei beiden die Vorschläge zu möglichen Konsequenzen aus.

Zeh hält wenig bis gar nichts von der Brandmauer: „Der Versuch, mit der Brandmauer die AfD kleinzuhalten, hat in den letzten zehn Jahren nichts gebracht.“ Sie verweist dabei auf die letzten Wahlergebnisse genauso, wie auf die aktuellen Umfragen. Zeh verlangt schlicht bessere Politik und wiederholt (siehe oben) die Themen Bildung, Mobilität, Gesundheit, Pflege, bezahlbarer Wohnraum.

Voßkuhle ist bei der Brandmauer sehr klar unterwegs. Jede Partei müsse sich überlegen: „Wollen wir mit einer Partei kooperieren, die die Demokratie abschaffen will? Ich wäre hier sehr zurückhaltend. Jeder sollte sich genau überlegen, ob er mit dem Teufel ins Bett geht.“ Er will vor allem die vergifteten Debatten im Netz entschärfen und schlägt eine Klarnamenpflicht in den sozialen Medien vor. Auch bemüht er sich mit dem Verein „Gegen das Vergessen – für Demokratie“ um Demokratiebildung.

Wo sich Zeh und Voßkuhle vergleichsweise einig sind: Große Begeisterung für ein Parteiverbotsverfahren ist bei beiden nicht vorhanden. Zeh ist rundum dagegen und meint sogar, die AfD würde sich das wünschen, es würde ihnen helfen. Voßkuhle ist eher nur skeptisch und verweist darauf, wie schwer kalkulierbar ein solches Verfahren wäre.

Mein Fazit: Ich finde es sehr spannend, wie beide aus doch recht unterschiedlichen Richtungen in ihrer Bewertung der aktuellen Situation und Umfragewerte sehr ähnliche Einschätzungen erreichen. Beide Analysen zeigen auch auf, dass die Situation auch ziemlich komplex ist. Ich kann auch beide Schlussfolgerungen jeweils ein Stück weit nachvollziehen.

Ich persönlich will unbedingt die Brandmauer halten. Da bin ich ganz bei Voßkuhle und das gilt ganz besonders für seinen Vergleich mit dem Teufel. Ich könnte es nicht ertragen, wenn meine SPD mit erklärten Demokratiefeinden zusammenarbeiten würde. Das gilt auch dann, wenn es mit Koalitionen schwer wird.

Ich bin auch ganz bei Zeh, wenn es darum geht, dass sich die Politik (endlich?) wieder mit den Kernthemen der Menschen beschäftigen sollte. Diese unsagbare Fixierung auf das Thema Migration, das in der Bevölkerung schon im Frühjahr kaum jemand wirklich interessierte, hat den demokratischen Parteien viele Wählerstimmen gekostet.

Bei der Klarnamenpflicht gehe ich nicht mit und das obwohl ich selbst sehr konsequent nur mit Klarnamen im Netz unterwegs bin. Ich bin aber auch in einer Lebenssituation bei der ich mir das leisten kann. Ich bin in dieser Frage mehr auf Seiten unserer Justizministerin Stephanie Hubig, die „nachvollziehbare Gründe für den Wunsch nach Anonymität“ im Netz sieht.

Auch die Gefahren, die möglicherweise von einem AfD-Verbotsverfahren ausgehen, sehe ich gelassener. Mir reichen die verfügbaren Belege dazu und es gibt auch Meinungen, nach denen ein solches Verfahren vielleicht auch eine Mäßigung bewirken könnte. Ich sehe aber schon, dass ich mich hier ziemlich dreist gegen die ganz bestimmt deutlich fundiertere Meinung eines ehemaligen Verfassungsrichters stelle.

Kommentare

7 Antworten zu „Zeh und Voßkuhle zum Umgang mit den Rechtsextremen“

  1. @ossis-blog Wenn ich als Partei ordentliche Politik für Menschen mache, brauche ich letztlich keine Brandmauer weil es dann quasi keine (großen) Themen gibt, bei der die Gefahr besteht, dass die afd mit mir stimmt.

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