(Zu der bescheuerten Überschrift komme ich später.)
Ich kann mir tatsächlich gar nicht mehr so richtig vorstellen, wie das mal so ganz ohne Messenger-App war. Mittlerweile sind Chats zumindest für mich die wichtigste Kommunikationsmethode und da stehe ich bestimmt nicht alleine da.
Ging los mit dem Facebook-Messenger (yeah!) und dann natürlich WhatsApp. Da habe ich es mir dann sehr gemütlich eingerichtet. So wie wir alle irgendwie, denn tatsächlich sind ja auch alle „auf WhatsApp“. Klar, man wusste eigentlich schon immer: Meta ist böse und Zuckerberg sowieso, aber es funktioniert halt hervorragend und dann ist gut.
So habe ich das auch gesehen, bis ich halt etwas anderes gesehen habe. Bis ich gesehen habe, wie sich die Tech-Broligarchen bei Trumps Vereidigung in Reih und Glied aufgestellt haben. Aufgereiht, wie artige Chorknaben, die sich schon auf die Apfelschorle freuen, die sie nachher bekommen, wenn sie eben schön artig blieben. Alle haben sich gleich nach seiner Wahl der Maga-Sekte freiwillig und vollständig unterworfen.
Seither ist mir klar: Ich will das nicht mehr. Aus Twitter war ich da schon länger raus, bei Facebook und Instagram bin ich zwar noch nicht abgemeldet, aber das kommt bald. Aktiv bin ich schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Google ist eine härtere Nuss, aber auch da bin ich schon ein bisschen weiter und weiß zumindest, wie ich vorgehen will – jetzt muss ich es halt nur noch irgendwann auch tun.
Was ich von vorneherein für am Schwierigsten gehalten habe, das ist aber klar WhatsApp. Eben weil es so weit ins Privatleben hinein verwoben ist. Da es ja aber Jahre gebraucht hat, bis es so tief integriert war, darf es auch lange dauern, bis man da wieder rauskommt und da bin ich gerade dabei.
Für mich als Sozialisten gilt natürlich: Völker hört das Signal … oder so. Na gut, sehr schlechter Gag, aber für die Überschrift reicht’s und ja, Signal ist meine Alternative zur grünen Sprechblase mit Telefonhörer. Ich bin insgesamt ehrlich sehr überrascht, wie gut das funktioniert. Damit meine ich nicht die Signal-App oder die Handhabung. Da geben sich beide Apps quasi nichts.
Ich meine die Umstellung. Die meisten meiner aktiven Kontakte, die WhatsApp nutzen, haben tatsächlich auch Signal und reagieren auch drauf. Signal ist mittlerweile meine Haupt-Messenger-App und es ist mir sogar gelungen, so manche altehrwürdige WhatsApp-Gruppe auf signalblau zu ziehen.
Wo das nicht so gut klappt, das sind die Stories. Über die WhatsApp-Stories erreiche ich halt auch viele Menschen außerhalb meiner SPD- oder Digitalblase. Das wird wohl noch etwas dauern.
Ich möchte aber auch noch ein paar handfestere Argumente für den Wechsel aufzeigen. Mein oben genannter Aufgalopp der Tech-Broligarchen bei Trump ist als Grund ja zugegebenermaßen schon etwas schwach und auch sehr subjektiv. Deshalb hier ein paar handfeste Argumente. In keiner bestimmten Reihenfolge und ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Weitere Punkte und Korrekturen gerne in die Kommentare.
Fangen wir mit den „Eigentümern“ an. WhatsApp ist Teil des Meta-Konzerns und denen geht es schlicht und ergreifend nur um Geld. Das bekommen sie mit den Nutzerdaten und das gilt für alle Meta-Nutzer, egal ob Facebook, Instagram oder WhatsApp. Signal ist Teil einer gemeinnützigen Stiftung. Die tatsächliche Konstruktion ist etwas kompliziert und vielleicht auch etwas intransparent, aber es geht eben nicht darum mit Nutzerdaten Geld zu verdienen.
Doch selbst wenn das bei Signal irgendwann in die falsche Richtung laufen sollte: Die Software ist quelloffen und kann also jederzeit von jemand anderem weitergeführt werden.
Signal ist datensparsam nach dem „Zero-Knowledge-Prinzip“. Frei nach dem Motto: Was ich nicht weiß, kann ich auch nicht weitergeben auch wenn mich zum Beispiel der Staat danach fragt.
Verschlüsselt sind WhatsApp-Nachrichten auch, aber alle anderen Daten kennt Meta und die werden auch an Werbetreibende verkauft. Was dann in einer Nachricht steht, ist gar nicht mehr so wichtig.
Und der neuste coole Move von Signal: Schon bald werden Screenshots der App verhindert. Doof für normale Anwendungen, insgesamt aber sehr cool, weil Windows 11 mit Recall alle 30 Sekunden ein Bildschirmfoto aufnimmt und nach Hause funkt. Wozu Verschlüsselung, wenn das dann so umgangen wird. Ich finde, das ist eine sehr charmante Methode um Microsoft eine lange Nase zu drehen.
Gute Gründe also für einen Wechsel: Völker hört das Signal!
Es gibt 3 Gründe, warum ich Signal nicht (mehr) nutze:
* es ist weiterhin ein US-Unternehmen – auch wenn es von einer Non-Profit-Foundation betrieben wird, bleibt es kaufbar und wir alle wissen, was Investoren aus Unternehmen machen
* es hat den zentralistischen Ansatz – anders als Matrix oder Jabber, welche, wie das Fediverse dezentral sind, ist die Signal-Infrastruktur ein Single Point of Failure. Außerdem sagen sie zwar, dass sie keine Ahnung haben, wer da wohin sendet, aber das ist nur ein Versprechen, was niemand von uns überprüfen kann. Bei dezentralen Strukturen ist das anders, weil nur die beiden Instanzen, die miteinander zu tun haben, etwas davon wissen. Alle anderen (also mehr als 99% der Instanzen) wissen es nicht.
* es ist ein Dienst, den du ohne ein Smartphone nicht benutzen kannst – ich will nicht mit anderen Menschen über das Handy kommunizieren. Ich tippe am Rechner locker 3-4x so schnell. Natürlich kannst du einen Desktop-Client mit Connection zum Handy nutzen, aber komplett ohne Mobiltelefon geht es halt nicht. Ich möchte meine Daten auch nicht nur auf meinem Smartphone gespeichert haben. Die täglichen Backups sind keine Lösung für dieses Problem.
Danke für deinen Kommentar.
Ich kann die ersten beiden Gründe nachvollziehen, möchte aber darauf hinweisen, dass die Software Open Source ist, also jederzeit ein Fork möglich ist. We gibt auch die Kritik, dass alles über die Server typischer Hyperscaler läuft, aber da ist Mike Kuketz (siehe Link im Beitrag) pragmatisch und dann bin ich es auch.
Den letzte Grund verstehe ich aber nicht. Ich nutze Signal zu einem sehr großen Teil von meinem Rechner aus. Mit Telefon meistens eigentlich nur, wenn ich im Supermarkt was fotografiere und daheim nachfrage, ob das gemeint ist 🙂 Es gibt ja eine App für alle Plattformen.
Ich hatte das Thema mal bei der Arbeit eingebracht, weil es mir wie Dir geht: Ich habe da 99% meiner aktiven Kontakte bei Signal. Meine jungen Kolleg*innen hatten das aber mal getestet und doch niemanden gefunden. Einfach nur so, wollten sie nicht einmal die kostenlose App zusätzluch installieren und politische Gründe interessierten die schon dreimal nicht. Die Jugend…
Zu den Fragen der Zentralität und der US-Basis: Ich nutze es, solange das kein Problem ist und wenn es ein Problem wird, deinstallier ich die App. Trotz aller Gruppen. Ich lass mich nicht mehr einschließen..
Interessant ist die Frage, wann WhatsApp dezentral wird. Denn, wenn ich den DMA richtig verstehe, hat WhatsApp genügend User, um dazu verpflichtet zu sein. Aber will man sich ans Meta-Netz anschließen lassen? Will man das bei Threads?
Die Jugend in der Uni habe ich einfach zum uni-eigenen Matrix-Server getrieben 🙂
Ansonsten sehe ich, dass du ähnlich pragmatisch vorgehst, wie ich.