Redet miteinander

In seiner sehr gelungenen Weihnachtsansprache hat Bundespräsident Steinmeier die Bürgerinnen und Bürger dazu aufgefordert, mehr miteinander zu reden und zwar auch über strittige Themen:

„Sie haben es in der Hand: Sprechen Sie mit Menschen, die nicht Ihrer Meinung sind! Sprechen Sie ganz bewusst mal mit jemandem, über den Sie vielleicht schon eine Meinung haben, mit dem Sie aber sonst kein Wort gewechselt hätten. Ein Versuch ist das wert.“

Recht hat er: Raus aus der Blase und hin zur Kontroverse auch wenn da die Gefahr droht, dass der andere Recht hat. Kann passieren. Passiert mir dauernd.

Ich habe die Rede mal zum Anlass genommen, über mein Diskussionsverhalten nachzudenken. Es soll dabei nur um politische Diskussionen gehen und ich habe da für mich grob drei Gruppen ausgemacht.

Die eigene Blase. Die eigene Blase ist ehrlich gesagt gar nicht so einer Meinung, wie gemeinhin behauptet wird – überhaupt nicht. Die eigene Blase sind bei mir für gemeinhin Menschen, die ich selbst auch persönlich kenne und zu meinem engen oder weiteren Freundeskreis zähle. Ein paar reine Online-Bekanntschaften sind auch dabei. Viele davon Sozialdemokraten, bei weitem nicht alle und einige davon sogar sehr SPD-kritisch, und das ist vorsichtig formuliert.

Es ist bei genauem Nachdenken die Gruppe, in der am tiefsten diskutiert wird. Da ergibt sich ein Thema und dabei bleibt man. Mitunter sehr kontroverse Gedanken und Argumente zu vielen Aspekten kommen zur Geltung und ich gehe aus diesen Diskussionen hinterher immer schlauer hervor, als ich es vorher war. Die eigene Meinung gewinnt dabei an Schärfe, auch Tiefenschärfe.

Menschen mit starker Meinung. Zu dieser Gruppe gehören auch persönlich bekannte Leute, vermehrt aber Onliner. Der Einstieg in die Diskussion ist dabei meistens ein typischer Politikbashing-Post auf Facebook oder Twitter. Meistens kein eigener Post, sondern ein geteilter. Manchmal ist aber auch ein persönliches Gespräch.

Die Diskussion ist anstrengend und man muss aufpassen, dass man nicht überhitzt. Online lässt sich das ganz gut managen, denn man muss ja nicht, wie im persönlichen Gespräch, direkt antworten. In der Regel kommt aber auch dabei etwas konstruktives heraus. Manchmal nur die Tatsache, dass man halt unterschiedlicher Meinung ist, aber wenigstens kennt man dann die Beweggründe und kann sie nachvollziehen. Ist schon mal was. Oft aber findet man in Teilbereichen auch so etwas wie einen gemeinsamen Nenner. Das sind sehr lohnende Gespräche oder Online-Diskussionen.

Nach meiner Erfahrung beginnt man solche Gespräche (gilt nur für persönliche Gespräche) damit, dass man zuhört. Da muss man sich oft auch ein bisschen ankotzen lassen, aber das bleibt in der Regel immer im Rahmen. Ich mache das deshalb gerne, weil ich mir dann auch besser und länger die eigene Antwort überlegen kann, bei der ich dann auch präzise auf das Vorgebrachte eingehen kann. Wichtig: Ich gestehe mir dabei nie, nie, nie die gleiche Redezeit zu. Gelingt aber nicht immer.

Online mache ich es oft so, dass ich nachfrage und also nicht gleich mit meiner Sicht der Dinge daherkomme. Ist ähnlich wie zuhören und gibt auch Zeit für das eigene Argument, wenn es denn eines geben soll. Manchmal will auch nur verstehen.

Die Schimpfer und Hasser. Da ist Hopfen und Malz verloren. Die beschimpfen schlicht von oben herab. In einem Fall gilt das bei mir sogar geographisch. Nie im direkten Gespräch, immer online und meistens bei Facebook. Mit Argumenten kommt man da nicht ran. Egal welches Thema, beim ersten vorsichtigen Argument wird es gewechselt und es kommt der nächste Aufreger. Der ist auch immer persönlich. Manchmal lasse ich mich da auch eine Zeit lang beschimpfen, aber ehrlicherweise rentiert es sich nie. Ich bin da nicht so das gängige Opfer – Gott sei Dank. Aber manchmal trifft es mich doch und es ist anstrengend. In einem besonders krassen Fall war Blockieren das letzte Mittel. Solche krasse Hasstiraden kannte ich aus meiner eigenen Erfahrung tatsächlich noch nicht.

Ich frage mich dann immer, wie es denn so gelaufen wäre, wenn ich diese Person zum Beispiel im Urlaub kennengelernt hätte. Ganz anders vermutlich und vermutlich wäre auch ein ganz normales Urlaubsgespräch möglich gewesen. Das Profilbild zeigt einen sehr sympathisch wirkenden Mann.

Fazit: Ich glaube mein Bundespräsident kann ganz zufrieden mit mir sein. Trotzdem ist sein Aufruf richtig und zwar auch bei meiner Adresse. Über die eigene Blase muss ich da nicht nachdenken, das läuft schön. Die zweite Gruppe ist die interessante und da sollte ich mehr tun. Vor allem zuhören. Die Zeit dafür ist da: Ich muss nur Gruppe drei mal konsequent links liegen lassen und nicht mehr darauf eingehen.

Wenn ich Steinmeier schon zitieren und seine Rede zum Anlass nehme, dann sollte ich die auch zeigen. Hier ist sie:

Man kann sie auf der Seite des Bundespräsidenten auch nachlesen (pdf).