Wer hat Habeck tatsächlich angegriffen?

Gestern Abend, als ich von dem Angriff – ich könnte auch Attentatsversuch schreiben – auf unseren Wirtschaftsminister Robert Habeck oder zumindest auf seine Fähre erfuhr, war mein erster Impuls natürlich eine ziemliche Wut und ehrlich gesagt bezog sich das dann schon auch auf alle derzeit demonstrierenden Landwirte. Ja, vor diesen unseligen Verallgemeinerungen ist halt niemand gefeit und ganz ohne Grund ist das auch nicht, denn die Rhetorik der Schilder an den Traktoren ist oft sehr gewalttätig und die mithin zur Schau gestellten Galgen noch mehr.

Trotzdem hat sich mal wieder gezeigt, dass es nie gut ist im Affekt einen rauszuhauen. Drüber schlafen und einen Tag zu warten ist immer besser. Tatsächlich stellt sich die Situation mittlerweile doch etwas anders dar und braucht eine differenziertere Betrachtung.

Dabei ist es nicht so sehr die Distanzierung des Industrieverbandes Landwirtschaft, der sich Deutscher Bauernverband nennt. Die ist zwar in der Sprache durchaus deutlich und so auch in Ordnung, andererseits ist es genau diese Vertretung der Großbauern, die das ganze auch sehr anheizt und nicht ganz unschuldig an so mancher Eskalation ist.

Schwerer und letztlich entscheidender wiegt das, was der Volksverpetzer rausgefunden hat. Wer lange Erfahrung mit Faktenchecks und rechten Umtrieben hat, der riecht wohl auch in diesem Fall den braunen Braten. Sie wurden aufgrund einiger Details an diesem Abend stutzig, die nicht wirklich stimmig waren. Zuvorderst fiel ihnen auf, dass es keinerlei Bereitschaft des Mobs gab, auf das Gesprächsangebot Habecks einzugehen. In der Tat, das passt nicht zu den Landwirten.

Das Volksverpetzer-Team hat dann mal in den ihnen hinlänglich bekannten Quelle recherchiert und gefunden, dass die eigentliche Organisation des verbrecherischen Überfalls tatsächlich eher in rechtsextremistischen Kreisen organisiert wurde. Ich bitte die Details beim Volksverpetzer selbst nachzulesen. Hier geht es lang. Auch der Spiegel berichtet mittlerweile ähnliches.

So das stimmt, gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht.

Die gute Nachricht: Der Angriff geht nicht ursächlich auf Landwirte zurück, sie wurden eher vor den Karren gespannt.

Die schlechte Nachricht: Offensichtlich ist unsere Bauernschaft schon ziemlich von rechtsradikalen Faschisten unterwandert, die den Protest gegen die Kürzungen für ihre Zwecke instrumentalisiert. Ich fordere alle Landwirte – so welche das hier lesen – eindringlich auf, darauf zu achten, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, sich klar zu distanzieren. Vielleicht sind die Galgen halt mitunter doch nicht nur schlechter Geschmack?

Es ist ohnehin so eine Sache mit der Unterstützung der Forderungen durch die konservativen Parteien im Bundestag, die ich persönlich als immer weit rechts (Union) und glasklar rechtsradikal verorte.

Beide Parteien haben sich zusammen mit den Ampelparteien mit den Subventionen der Landwirtschaft für Diesel und KfZ-Steuer im Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages beschäftigt. Dort heißt es in der Sitzungsvorlage auf Seite 182, dass die „die Vergünstigung für in der Land- und Forstwirtschaft genutzte Fahrzeuge mit ‚schwach‘“ beurteilt wurden und also keine wirkliche Berechtigung mehr haben. Alle Ausschussmitglieder stimmten also für eine Abschaffung. Die von den Ampelparteien, die von der Union und die von Blaubraun. SPD, Grüne, FDP, Union, AfD. Alle.

Das zuständige Finanzministerium wurde deshalb wie früher schon mal eindringlich aufgefordert, diese Subventionen zu streichen. Lindner wehrte sich offensichtlich lange dagegen, aber dann kam das Haushaltsloch und der Rest ist bekannt. So gesehen ist das was Union und AfD jetzt da Krokodilstränen für die Landwirtschaft vergießen schon sehr verlogen und lächerlich.

Nicht falsch verstehen: Der Protest gegen die Subventionskürzungen ist absolut legitim, auch wenn viel davon mittlerweile wieder einkassiert wurde. Trotzdem muss sich die Bauernschaft beweisen, dass sie nicht das Spiel der Feinde unserer Demokratie mitspielen und sich von einen tiefbraunen Karren spannen lassen.