Fachkräfte, Renten und Demografie

Vor kurzem las ich irgendwo – die Quelle finde ich leider nicht mehr: In Frankreich gab es keinen Pillenknick, weil es dort schon immer eine sehr umfangreiche Kinderbetreuung gibt. Schauen wir uns das mal näher an. Meine Grafik zeigt die Bevölkerungspyramide von Deutschland und Frankreich mit Zahlen aus dem Jahr 2017, die Grafik basiert auf zwei Originalen aus der Wikipedia.

Die Form beider Kurven unterscheidet sich vor allem im unteren Bereich, der jüngeren Alterskohorten. In beiden Ländern waren die vor fünf Jahren 50- bis 54-Jährigen, die stärkste Kohorte. Heute sind das dann wohl die 55- bis 60-Jährigen.

Interessant ist der Kurvenverlauf darunter. In Deutschland brechen die Zahlen bei den Jüngeren dramatisch ein, das ist der Pillenknick und der setzt sich bis heute fort, die Altersgruppen werden immer kleiner.

Die damals 50- bis 54-Jährigen (gut 3,5 Millionen Menschen) gehen in den nächsten Jahren in Rente. Sie werden von den damals 15- bis 19-Jährigen ersetzt. Diese Alterskohorte ist mit knapp 2 Millionen Menschen gerade mal etwas mehr als halb so groß. Danach wird es noch dusterer.

Genau diese Entwicklung erklärt den Fachkräftemangel auf nahezu allen Ebenen. Wir sehen davon aber derzeit gerade mal die ersten Anzeichen. Klar kann man je Berufsgruppe bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen verlangen und oft genug ist das auch sehr, sehr berechtigt. In der Summe werden wir aber schlicht einen Verdrängungswettbewerb zwischen den einzelnen Berufsgruppen erleben, den wir uns heute gar noch nicht richtig vorstellen können.

Genau deshalb ist es richtig und geradezu geboten, dass wir Einwanderung erleichtern. Das von der Ampel beschlossene Chancen-Aufenthaltsrecht ist die einzig logische Antwort auf diese absehbare Entwicklung und kein „Verscherbeln der Staatsbürgerschaft“, wie eine CDU im ungebremsten Rechtsrutsch formuliert.

Vergleichen wir das aber mal mit Frankreich. Auch da sieht man einen Pillenknick aber einen Pillenknick „ultralight“, wie ich formulieren mag. Die Alterskohorten sind bis hoch zum Rentenalter in etwa gleich stark.

Frankreich kennt seit je her die Ganztagsschule oft mit zusätzlichen Betreuungsmöglichkeiten außerhalb der Unterrichtszeiten. Ich will mich hier nicht zum Frankreichspezialisten aufschwingen, aber es ist wohl unmittelbar klar, dass sich auf diese Weise Kinderwunsch – auch mehrfacher Kinderwunsch – und Berufstätigkeit der Frauen deutlich einfacher realisieren lassen. In Frankreich ist die arbeitende Mutter auch in der Sicht der Gesellschaft nicht die Rabenmutter, so wie berufstätige Frauen in Deutschland immer gesehen wurden und noch werden. Stichwort „Die Mutter gehört zum Kind.“

Die daraus resultierende deutlich ausgewogenere demografische Situation ermöglicht in Frankreich übrigens auch das deutlich entspanntere Rentensystem. Es sind halt genügend junge Leute da, die mit ihren Rentenbeiträgen die heutigen und zukünftigen Rentner finanzieren.

Tja, echte Familienpolitik bzw. echte Frauenpolitik wäre halt schon gut gewesen. Das haben die Parteien unterlassen und es war gesellschaftlich – Stichwort Rabenmütter – auch nicht gewollt.

Natürlich ist die Demographie nicht der einzige Faktor, der Fachkräftemangel und Rentenunterschiede erklärt, aber es ist ein sehr wichtiger. Ich will mit diesem Beitrag auch nicht die französische Politik über den grünen Klee loben. Immerhin hatte und hat Frankreich mit einer für unsere Verhältnisse exorbitanten Jugendarbeitslosigkeit zu kämpfen. Rund 18% sind es derzeit – bei uns noch nicht mal 6%. Das ist die andere Seite der Medaille und das zeigt letztlich wie kompliziert die Materie ist. Einfache Lösungen gab es noch nie und wird es nicht geben.