Zivilisatorisches Deckmäntelchen und Politik

Der feige Anschlag von Tröglitz steckt mir immer noch in den Knochen. Solche Vorkommnisse machen mich immer erst Mal still vor Ratlosigkeit. Ich finde es auch gar nicht gut, wenn man zu schnell schreibt wenn eigentlich noch zu wenig bekannt ist. Nun kann man aber mit gutem Gewissen (besser böser Gewissheit) davon ausgehen, dass es ein feiger rechtsradikaler Anschlag war.

Mittlerweile hat Sascha Lobo dazu und allgemein zum sehr dünnen zivilisatorischen Mäntelchen in unserer Gesellschaft geschrieben. Er beschreibt das Internet als Spiegel, der uns in den Kommentarspalten und Foren zeigt, wie dünn dieses zivilisatorische Deckmäntelchen tatsächlich ist.

Ich kann das auch im realen Leben bestätigen, denn ich rede mit vielen Menschen aus allen möglichen Bereichen und Schichten mit ganz unterschiedlichen Lebenshintergründen und aus vielen verschiedenen Altersgruppen.

Ich habe mir dabei schon oft gedacht, dass offener Hass eigentlich nur deshalb nicht aufbricht, weil es den Leuten ja eigentlich gut geht. Da muss man nichts riskieren und bleibt in Deckung. Nur hie und da fällt kurz die Fassade und es blitzt die eigentliche Gesinnung kurz auf.

Ich möchte solche Momente, solche kurzen Aüßerungen für mich nicht als „Endsätze“ im Sinne von Sascha Lobo werten und behandeln. Für ihn beenden solche Sätze jedwede weitere Kommunikation. Das ist sein gutes Recht und das darf jeder so handhaben nur nicht der, der in der Politik aktiv ist. Dazu zähle ich mich. Es ist unsere Aufgabe, hier weiter zu kommunizieren. Erstens ist man als Politiker mit Mandat Volksvertreter. Da wird man vom Volk ausgesucht. Sein Volk aussuchen kann man nicht. Man wird ausgesucht und muss vertreten und dazu muss man zuhören und verstehen.

Das ist aber zunächst nur ein formaler Grund und formale Gründe sind doof. Tatsächlich brechen höchst fragwürdige Äußerungen auch oft aus Menschen hervor, die ich eigentlich sehr schätze. Die vielleicht sogar in der Gesellschaft sehr engagiert sind oder waren. Es wäre in der Tat zu kurz gegriffen, diese Menschen sofort zu verwerfen.

Klar gibt es Grenzen. Manchmal auch ganz eindeutige. Aber eben nicht immer und da bedarf es dann einer Gratwanderung, einer genauen Einschätzung der Graustufen, vielleicht sollte man hier von Braunstufen sprechen. Das ist nicht immer ganz einfach, aber so bin ich unterwegs und so soll das bleiben. Es hält einen auch wach und aufmerksam für die eigenen Vorurteile und unmenschlichen Momente.

Und so lautet denn auch Lobos Fazit: „In jedem lauert die Unmenschlichkeit. Zivilisation ist nichts, als sie jeden verdammten Tag aufs Neue zurückzudrängen.“

Ich stelle dazu ein weiteres Zitat: „Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.“ Das ist gut zweitausend Jahre alt kommt von Jesus. Es zeigt, dass manche Erkenntnis nicht ganz so neu ist, wie man denkt. Sie immer wieder zu wiederholen und in neue Worte zu kleiden, ist aber trotzdem gut und wichtig.