Politischer Streit und demokratischer Kompromiss

Ich höre und schaue mich immer noch durch die verschiedenen Videos der diesjährigen re:publica. Viele spannende Dinge, man kann gar nicht alles verarbeiten, aber so manches bleibt dann doch hängen. Dazu gehört ein Satz von Ricarda Lang, die sich mit Johnny Haeusler unterhalten hat.

Sie sagt diese Satz in etwa bei Minute 18:

„… wir erleben ja gerade, dass in Deutschland eigentlich beides in Verruf geraten ist, der politische Streit und der demokratische Kompromiss.“

Das erlebe ich auch so. Nur natürlich nicht bei den gleichen Leuten. Ich will das mal am Thema SPD in der aktuellen Koalition festmachen. In meiner „Real Life“ Umbegebung gibt es gar nicht so wenig Leute, die gar nicht verstanden haben, dass man überhaupt erst einen Koalitionsvertrag aushandelt und nicht einfach gleich loslegt. Für meine zugegeben sehr linke Mastodon-Bubble sind wir SPDler selbstverständlich wieder die Verräter und können jetzt endgültig weg.

Das sind natürlich zwei Extremmeinungen, aber zumindest in abgeschwächter Form stimmt das schon und damit auch Ricarda Langs Aussage.

Vielleicht hat das tatsächlich damit zu tun, dass wir unser politisches System auf Koalitionen ausrichten. Es geht bei allem darum wer gewinnt und wer verliert. Zwischen Regierung und Opposition und auch innerhalb von Koalitionen.

Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung und Religions- und Politikwissenschaftler schlägt eine Änderung dieses Systems vor, das ja nirgends so festgeschrieben wurde. Er bringt das Schweizer System der Konkordanzregierung ins Spiel. Dabei würden sich alle demokratischen Parteien zusammentun, die Ressorts verteilen und sich auf ein paar wenige Grundzüge einigen. Alles andere wäre dann die Aufgabe des Parlaments und das ist ja auch dafür vorgesehen.

In der Schweiz hat das nach seinen Worten zu einem Pragmatismus geführt, der letztlich seinerzeit die Gefahr eines aufkommenden Faschismus zurückdrängte. Nicht alles ist dabei Gold, was daran glänzt, aber das gibt es ja nie. Insgesamt aber führt dieser Ansatz wohl zu einem besseren Politikverständnis über mehr Transparenz und reduziert so die Politikverdrossenheit. Man erkennt den politischen Streit und wie er zum demokratischen Kompromiss führt.

Ich finde das einen spannenden Gedanken und empfehle die Lektüre dieses Blogposts. Noch mehr empfehle ich es, Michael Blume auf Mastodon zu folgen. Er hat sehr viel zu diesem Thema geschrieben und das bekomme ich gar nicht mehr alles zusammen 🙂

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