Bundespräsident Steinmeier schlägt eine „Dienstpflicht nach der Schule“ vor. So steht es überall und Twitter tut, was Twitter tun muss. Es explodiert. Unterhalb von Freiheitsberaubung und Zwangsarbeit geht es nicht.
Mir sind da spontan meine 20 Monate Zivildienst eingefallen. Ich habe durchaus ein differenziertes Bild über diese Zeit, aber Zwangsarbeit war es nicht und meiner Freiheit beraubt wurde ich auch nicht. Ich habe halt bei der Caritas 20 Monate lang Essen auf Räder ausgefahren, einen Klamottenkeller und ein Möbellager betreut und, ja, auch die Büros neu gestrichen. Hat mich diese Zeit geprägt? Bin ich dadurch ein besserer Mensch geworden – quasi als Grundausbildung zum Sozialdemokraten? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Am wahrscheinlichsten wohl ein bisschen. Ich war das erste Mal von zu Hause weg und es war allgemein die Zeit, in der man sich viel verändert und entwickelt.
Zurück zu Steinmeiers Forderung. Auf der Seite des Bundespräsidenten kann man das Interview nachlesen. Dort steht gegen Ende:
„Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird, aber ich wünsche mir, dass wir eine Debatte über eine soziale Pflichtzeit führen.“
und auf Nachfrage zur Ausgestaltung:
„Das sollte ja Gegenstand der Debatte sein. Ich habe auch bewusst Pflichtzeit gesagt, denn es muss kein Jahr sein. Da kann man auch einen anderen Zeitraum wählen. Es geht um die Frage, ob es unserem Land nicht guttun würde, wenn sich Frauen und Männer für einen gewissen Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen.“
Naja, von jungen Menschen nach der Schule steht da nix. Das kommt in der Wahrnehmung zustande, weil es zuvor kurz um die Wehrpflicht ging, die Steinmeier aber sofort abräumt.
Was mir ein Stück weit tatsächlich nicht gefällt, ist die Beschränkung auf soziale Dienste. Da sollten thematisch zumindest noch der Umwelt- und Klimaschutz dazu und bestimmt noch mehr, das mir gerade nicht einfällt.
Jetzt kann man sehr wohl darüber diskutieren, ob das sinnvoll ist. Genau das will der Bundespräsident ja. Hasnain Kazim ist stark dafür und will es auch nach der Schule. Sein Thread dazu verläuft entlang der Aussage von Steinmeier, dass man so die Bubble verlässt:
Da hat er natürlich recht, aber das ist gleichzeitig auch zu optimistisch. Vermutlich werden sich gerade „Maximilian und Louisa aus Hamburg-Blankenese“ dem ganzen entziehen können (Ausnahmen gibt es immer, zur Not ist es eine Allergie oder so was) und die anderen werden oft genug als billige Arbeitskraft missbraucht werden.
Das war schon zu meiner Zeit ein Problem. Ich habe bei meinen Kollegen (Kolleginnen gab es damals keine) sehr öde und langweilige Jobs gesehen, die mit irgendwas sozialem nur sehr rudimentär zu tun hatten. Das ist auch die Kritik, die ich nachvollziehen kann. Es besteht die Gefahr, dass wir mit einem solchen Dienst nur die Krankheiten des Systems überspielen wollen.
Von mir gibt es keine Conclusio. Das ist mein – vom Präsidenten gewollter – Debattenbeitrag, den ich nicht auf Twitter-Häppchen zerstückeln wollte und der nicht nur deswegen wohl unter der Wahlnehmungsschwelle bleiben wird. Macht ja nix.
Bild: Olaf Kosinsky, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons