„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“ – so lautet das viel diskutierte Böckenförde-Dictum. Vor gut drei Jahren habe ich diesen Satz auf ein Facebook-Sharepic geschrieben. Damals ehrten wir den ehemaligen Verfassungsrichter für 50 Jahre Mitgliedschaft in der SPD.
Gestern und heute kam mir dieser Satz wieder vermehrt in den Sinn und zwar im Zusammenhang mit den Vorgängen rund um die Corona-Demo in Berlin.
Es wird immer die Situation geben, dass eine demokratische Grundordnung Proteste erlauben muss, die sich eben genau gegen diese demokratische Grundordnung richten und dann halt auch mir der Zeit aushöhlen. Generelle oder standardisierte Verbote verstoßen nun mal gegen eine demokratische Grundordnung.
Die Corona-Demo in Berlin an diesem Wochenende ist ein gutes Beispiel. Die Organisatoren haben sich durchgesetzt und die Behörden haben die Demo schließlich unter Auflagen erlaubt. Vielleicht gab es beim Verbot der Innenbehörde handwerkliche Fehler, vielleicht auch nicht. Es ist im hier diskutierten Zusammenhang müßig, darüber zu streiten. Gleiches gilt zu den Entscheidungen des Gerichts.
Jedenfalls haben die Teilnehmer der Demo schließlich bewusst und mit voller Absicht gegen die Auflagen verstoßen und sie haben auch nix dagegen unternommen, dass sich klar rechtsradikale, demokratiefeindliche Elemente unters Publikum gemischt haben.
Die Demo wurde daraufhin von der Polizei abgebrochen und sollte aufgelöst werden. Viele gingen nicht und man darf durchaus der Meinung sein, dass die Polizei da konsequenter hätte vorgehen sollen. Wasserwerfer etc. sind bei linken Demos schließlich Standard. Darauf wurde verzichtet und deshalb wurde auch flockig weiter demonstriert, bis schließlich sogar die Treppen des Reichstags gestürmt wurden. Einerseits ein ungeheuerlicher Vorgang, andererseits sind die dann größtenteils derart vorpubertär auf der Treppe rumgehüpft, wie ein paar Jungs, die die Schlüssel zu Papas Weinkeller gefunden haben, nun nicht wissen, wie man einen Korkenzieher verwendet und schon absehen können, dass die Tropfen dort wohl eher ekelig schmecken werden.
Nichts desto weniger: In der Summe wurde der Rechtsstaat dieses Wochenende an der Nase herum geführt. Das kann man als Demokrat schon mal aushalten. Gibt es allerdings viele solcher Aktionen und summiert sich das auf, dann ist unsere Grundordnung in Gefahr. Böckenförde-Dilemma ganz anschaulich und leider auch aktuell, es war ja nicht die erste solche Demo.
Wir sehen also die Grenzen von Staat und Politik. Wir, die Bürger, müssen schon selbst die Voraussetzungen für das Gelingen unseres freiheitlichen Staates schaffen. Möglichkeiten gibt es genug. Von mal dem Nachbarn widersprechen, wenn er gar zu gruselig daher redet, bis zur Teilnahme an oder gar Organisation von Demos gegen rechts gibt es viel Spielraum. Das ist jetzt unsere Aufgabe.