Vorne weg: Ich gehöre auch dazu. Fast perfekt Mitte der Sechziger geboren, bin ich quasi der Prototyp des Boomers. Darauf stolz bin ich nicht. Es scheint, als würde ich einer Generation angehören, die einerseits rumprotzt wie Bolle und andererseits mimosenhaft jammern kann, wie sonst niemand.
Vielleicht ist beides verständlich: Wo wir auftreten wächst kein Gras mehr. Wir sind immer in der Überzahl, in der Mehrheit und wir bestimmen, wo es lang geht. Darunter kann die Kritikfähigkeit schon etwas leiden. Vermutlich deshalb fallen wir über die junge schwedische Umweltaktivistin mit einer Wucht her, die nicht nur nicht jegliche Umgangsformen vermissen lässt, sondern an Peinlichkeit auch kaum zu überbieten ist. Wenn die Göre meint, sie könnte uns – UNS! – die Leviten lesen, dann hat sie sich aber mit den Falschen angelegt.
Ganz ehrlich: Ich schäme mich für vieles, was meine Generation da auf Facebook und Co. an geistigem Dünnpfiff abliefert. Es wäre mir peinlich, wenn über den unflätigen und meist erstunkenen und erlogenen Bildchen mein Name stünde.
Mehr oder minder selbsternannte Medienexperten (Spitzer & Co.) warnen vor dem schädlichen Einfluss des Internets auf unsere Kinder und Jugendlichen und auf die Gefahren für ihre Entwicklung. Ernsthaft? Ich kenne keine Altersgruppe im Netz, die weniger Medienkompetenz besitzt als meine. Da wird noch jeder noch so windige Blog und jede noch so abstruse Verschwörungstheorieseite mit Inbrunst zitiert. Quellenkritik? Was ist das? Wenn man uns darauf hinweist, dann kommt absolute Ahnungslosigkeit und Schulterzucken: Naja, ein bisschen was ist bestimmt dran.
Nein. Ist es nicht. Es ist erstunken und erlogen.
Dabei könnte man das Thema Umwelt und Ressourcen doch auch einfach mal ganz entspannt analysieren. Am besten am eigenen Beispiel. In diesem Fall also an meinem:
- Ich bin zusammen mit zwei Brüdern auf 75 oder 80 Quadratmetern aufgewachsen. Jetzt wohne ich auf deutlich mehr Fläche. Nicht das Doppelte, aber so viel fehlt auch nicht.
- Wir hatten kein Auto und sind alles mit Zug und Bus gefahren. Insgesamt also auf dem Land eher gar nicht. Klar steht jetzt eine Kiste in der Garage.
- Meine Eltern sind nie geflogen. Ich schon. Nach meinem Gefühl sogar oft. Meist beruflich und daher nicht wirklich von mir beeinflussbar, aber eben nicht nur.
- Ich bin 24 Stunden am Tag online. Minus Schlafzeit, meinetwegen. Die Bits und Bytes flitzen und das kostet Strom und davon nicht wenig.
- …
In Summe: Ich lebe deutlich über meine Verhältnisse. Drei Erden wäre wohl nötig. Boomer halt.
Trotzdem verdrängen wir gut. So gut, dass wir uns über dieses mehr als harmlose Liedchen mit der Oma als Umweltsau über alle Maßen aufregen. Ich hab es nicht gehört, aber es muss ja ganz schlimm gewesen sein. How dare you! Unsere Omas und Opas waren allesamt ganz einfache Frauen und Männer, die alles geflickt und repariert haben. Nichts wurde weggeworfen. Und jetzt diese Respektlosigkeit!
Boomers, calm down. Inhale. Exhale. Repeat. Die meinen nicht eure Oma. Die meinen schon euch!
Sorry, uns. Ich bin auch gemeint. Ich zähle ja dazu. Kolleginnen und Kollegen: Wir sind die Umweltsäue. Und zwar big time! Das trifft, denn wenn wir eine Sache absolut nicht abkönnen, dann ist das Kritik an uns. Aber es ist so.
Vielleicht sollten wir doch mal dran arbeiten?