Es bringt der Urlaub zur Jahreswende nun mal so mit sich, dass ich mehr Zeit habe und das Geschehen intensiver verfolgen kann als sonst. So auch gestern, als nach und nach das ganze Ausmaß und die Abscheulichkeit der Silvesternacht am Kölner Bahnhof (und andernorts) deutlich wurde. Die Online-Zeitungen überschlugen sich (nachdem sie das ganze zuvor komplett übersehen hatten) und die sozialen Medien, allen voran Twitter, explodierten.
Mir schwirrte der Kopf und ich brachte viele der Berichte in ihrer Widersprüchlichkeit nicht übereinander. Liegt vielleicht auch daran, dass ich Landei die große Stadt nicht verstehe, oder wie auch immer. Gegen Abend wurde das Bild für mich dann nach und nach klarer, denn sowohl auf zeit.de, wie auch bei SPON kamen Zusammenfassungen heraus, die die Ereignisse ansatzweise erklärten und rekonstruierten. Und so schrieb ich gegen halb zehn nachts auf Facebook mit Link auf die SPON-Zusammenfassung:
(Screenshot, weil einbetten nicht funktioniert)
Am Morgen dann zwei Kommentare, die beinahe sinnbildlich für weite Bereiche der Diskussion stehen: Ich gehöre offensichtlich zu den „Träumern“ und „Ignoranten“, die „ignorieren“ (sic!) und „beschönigen“. Nichts dergleichen habe ich getan, denn ich habe nur meiner Erleichterung Ausdruck verliehen, dass sich die Hysterie langsam verzieht (zugegebenermaßen etwas verfrüht) und der Blick klarer wird.
Da ich mich nun aber auch nicht gerne so nennen lasse, wie ich genannt wurde, möchte ich ein paar Gedanken zur Sache selbst abliefern. Das wird länger als Facebook gut tut und deshalb schreibe ich das als Blogpost.
Das Offensichtliche.
Das Offensichtliche ist an sich zu trivial, als das man es nochmal extra schreiben müsste. Ich sehe mich dennoch in der Situation, das tun zu müssen (siehe „beschönigen“).
Die Frauen, die in dieser Nacht angemacht, angegrabscht, beraubt und vergewaltigt wurden, sind Opfer von Verbrechen geworden. Dem ist nichts hinzuzufügen und da gibt es nichts zu beschönigen. Ende der Ansage.
Die Täter
Die Täter werden von den Opfern sehr übereinstimmend als „Schwarzafrikaner“ oder „Araber“ beschrieben. Das ist wichtig und es ist auch richtig, das zu berichten. Erstens, weil das es für Ermittlungen natürlich von Belang ist, wie die Täter aussahen. Zweitens, es ist auch für die Einordnung der Geschehnisse wichtig, genauso wie man bei Gewaltexzessen am Rande von Sportereignissen einen Bezug zum Hooliganunwesen herstellen muss. Wenn man weiterhin liest, dass die Aggressoren untereinander nicht Deutsch sprachen, darf man auch annehmen, dass ein Migrationshintergrund vorliegt.
Die Flüchtlingssituation
Natürlich ist es vor diesem Hintergrund wohlfeil, einen Bezug zur Flüchtlingssituation herzustellen und „die Flüchtlinge“ pauschal zu beschuldigen. Das ist nicht nur wohlfeil, sondern widerlich. Schuld ist individuell. Wenn ich ein Verbrechen begehe, dann bin ich Schuld und nicht etwa eine Bevölkerungsgruppe, der ich rein zufällig angehöre.
Die Berichte aus Köln werden aufgeregt diskutiert. Unser Leser mahnt differenzierte Beiträge an. (ds) pic.twitter.com/jjmO7WjDWf
— ZEIT ONLINE Leser (@zeitonlineleser) 5. Januar 2016
Die Polizei
Mittlerweile liegen wohl über 100 Anzeigen vor. Damit ergibt sich ein Ausmaß, bei dem man von einem Versagen der Einsatzkräfte sprechen darf. Da muss was schief gelaufen sein. Es entzieht sich aber meiner Kompetenz, hier über die Schuldfrage zu spekulieren.
Es deutet einiges darauf hin, dass wir in Deutschland zu sehr an der Polizei sparen und es schlicht ein Problem der Personaldecke sein könnte. Vielleicht entzog sich das Geschehene aber auch schlicht der Vorstellungskraft der Einsatzkräfte. Zumindest in diesem Ausmaß. Dann ist daraus zu lernen.
Die Politik
Die Politik ist gefragt. Vermutlich weniger mit neuen Gesetzen, denn alles was geschildert wird, steht längst unter Strafe und muss nun eher ermittlungstechnisch und dann juristisch aufgearbeitet werden. Es mag aber Versäumnisse in der Innenpolitik geben. Siehe oben. Und ja, man muss auch darüber nachdenken, was man mit kriminellen Ausländern tun will, die man mangels Papieren nicht abschieben kann. Da muss eine Lösung her.
Ich könnte jetzt noch über die Medien schreiben oder darüber, wie nun Verhaltensregeln für Frauen die Runde machen. Ich schenke es mir und komme stattdessen zurück zu meinem Facebook-Post, der zu diesem Artikel hier führte.
Vielleicht muss ich mir vorwerfen lassen, dass ich ohne klare Meinung gar nichts hätte posten sollen. Getreu des zwar alten aber sicher nicht ganz falschen Ansatzes von Sascha Lobo:
Gerade in komplizierten sozialen Situationen ist das Wichtigste oft die Haltung. Die Haltung der Fresse.
— Sascha Lobo (@saschalobo) 20. September 2009
Andererseits ist es schon erstaunlich, wie sich die Öffentlichkeit plötzlich in einem nie dagewesenen Ausmaß für Gewalt gegen Frauen interessiert. Oder doch nicht?
Was bitte haben die Ereignisse am #koelnhbf mit der Asylpolitik zu tun, fragt Hilal Sezgin: https://t.co/x9esfV3mpk pic.twitter.com/fVXj1ROUW6
— ZEIT ONLINE (@zeitonline) 6. Januar 2016