Das Gendern ist der große neue Sprachaufreger nach den Aufregungen zur Rechtsschreibreform zur Jahrtausendwende. Beide Male wurde die deutsche Sprache durch die Änderungen mindestens verhunzt, wenn nicht vergewaltigt.* Damals beliebt: Irgendwelche Beispieltexte, die tatsächlich sehr gruselig aussehen. Heute gibt man sich nicht mal mehr so viel Mühe, man haut „Beispieltexte“ raus, in denen quasi jedes Hauptwort gegendert wird um das Gendern ins Lächerliche zu ziehen. Und auch sonst: Der Untergang unserer schönen Sprache ist in jedem Fall vorprogrammiert.
Naja. Erstmal ruhig hinsetzen. Einatmen. Ausatmen. Ggf. Betablocker. Alles gut.
Ich erinnere mich damals bei der Rechtsschreibreform an ein „Experiment“. Jemand hat sich die erste Seite einer aktuellen FAZ-Ausgabe genommen und mal nach den neuen Regeln korrigiert. Große Zeitung. Viele Wörter auf der ersten Seite. Ich erinnere mich nicht mehr genau, wie viele Wörter er da gefunden hat, aber viel waren es nicht. Und von denen, die er gefunden hatte, waren mehr als die Hälfte daß/dass.
Einen solchen Text habe ich dieser Tage auch in Sachen geschlechtergerechte Sprache gefunden. Es ist das Interview der ZEIT mit der neuen Integrationsbeauftragten Ataman. Auf zeit.de ist das auf drei Seiten verteilt. Über 1.900 Wörter habe ich gezählt. Nicht wenig. Den Inhalt will ich hier nicht diskutieren, darauf kommt es für diesen Artikel nicht an. Ganz am Ende steht dann aber der Satz:
Ferda Ataman verwendet gendergerechte Sprache, das haben wir im Text kenntlich gemacht.
Was? Nichts dergleichen war mir aufgefallen. Ich bin es also nochmal durchgegangen und finde ein Gendersternchen. Eine Suche im Text hat dann zwei weitere zum Vorschein gebracht. Das wars. Drei Sternchen auf 1.900 Wörter. Wer daran schon scheitert oder verzweifelt, ist schon ein arges Sensibelchen.
Fazit: Man muss Gendern nicht mögen, es fällt aber auch nicht groß auf. Die meiste Aufregung ist eher ein Sturm im Wasserglas.
* Ich empfinde solche Vergleiche eher als Schlag ins Gesicht tatsächlicher Vergewaltigungsopfer.