Über Brandmauern

Friedrich Merz deutet an, dass die CDU auf kommunaler Ebene durchaus mit der AfD zusammenarbeiten könnte, denn „… natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet.“ Das ist eine sehr wage Aussage, der – gottseidank – von sehr vielen auch hochrangigen CDU-Politiker:innen widersprochen wird. Ich möchte versuchen, das über die allgemeine Empörungsebene hinaus einzuordnen.

Ich tue das anhand der Situation in meinem Landkreis, denn den kann ich als Kreisrat relativ genau einschätzen. Da mag die Situation in anderen Bundesländern geringfügig verschieden sein, aber auch nicht ganz anders.

Vielleicht sollten wir zu Beginn festhalten, dass eine Landrätin (bei uns Kreis hat den Job eine Frau und deshalb verzichte ich aufs Gendern) relativ wenig Gestaltungsspielraum hat. Im wesentlichen muss ein Landratsamt Pflichtaufgaben erledigen und ist deshalb einfach auch ein sehr großer Verwaltungsapparat. Man sieht das immer bei Haushaltsberatungen. Weit über 90% der Ansätze sind gar nicht verhandelbar.

Insofern ist die Aussage des neuen CDU-Scharfmachers Linnemann zur Relativierung von Merzens Aussage inhaltslos. Er meinte: „… wenn es im Kommunalparlament etwa um eine neue Kita geht, können wir nicht nur deshalb dagegen stimmen, weil die AfD mitstimmt. Wir machen uns von Rechtsradikalen nicht abhängig.“ Die Versorgung mit Kitas ist nun bei uns die Aufgabe der Kommunen und dort aber Pflichtaufgabe, denn es gibt einen Anspruch der Eltern auf Betreuung. Insofern will weder die AfD noch die CDU noch irgendeine andere Partei da was, alle müssen. Es kommt dann eher auf die Ausgestaltung an, als auf das einfache Tun.

Das will ich anhand eines Beispiels näher erläutern, das auch viel besser das Thema trifft. Es ist die absolute Pfichtaufgabe eines Landkreises und damit eines Landratsamtes und eine Landrätin, für die Erstaufnahme von Flüchtlingen im Kreis zu sorgen. Selbiges gilt dann in der Anschlussunterbringung in den Kommunen auch für die Bürgermeisterinnen. Auch da geht es nicht um das „Ob“ sondern – und das ist entscheidend – das „Wie“! Man kann sich da um eine einigermaßen menschenwürdige Unterbringung kümmern, oder eben auf besonders schwierige Bedingungen achten. Man kann da Sozialarbeiterinnen in den Unterkünften vorhalten und vielleicht auch zu Beginn einen Sicherheitsdienst (erfahrungsgemäß wird der rasch überflüssig) oder eben auf Konflikte hoffen und diese fördern, damit die dann das eigene, wohl gepflegte Feindbild bestätigen. Man kann Helfergruppen aus der Bevölkerung unterstützen und einbinden oder ihnen eben Knüppel zwischen die Beine werfen. Letzteres ist besonders einfach. Genau da kommt es auf die Brandmauer an. Genau an dieser Stelle muss man sich als Fraktion in einem Gemeinde- oder Stadtrat oder in einem Kreisparlament mit Wucht und klarer Kante dazwischen werfen. Denn genau hier werden Faschisten so handeln, wie ich es beschrieben habe.

Anderes Beispiel: Bei uns im Kreis gibt es eine Poolförderungen für soziale Institutionen, die ihren Sitz in Freiburg haben (also nicht im Landkreis) aber auch Bewohner:innen in unserem Landkreis betreuen, der Freiburg beinahe vollständig umschließt. Da geht es zum Angebote der Sozial- und Jugendhilfe. Ob eine Einrichtung förderfähig ist, das ergibt sich aus einem klaren Anforderungskatalog. So klar wie eine Checkliste. In die Riege der geförderten Einrichtungen haben wir vor kurzem die Rosa Hilfe Freiburg aufgenommen. Man kann schon dem Namen entnehmen, dass es da um die Anliegen von LSBTIQ* geht. Die Aufnahme der Rosa Hilfe war für alle demokratischen Parteien (fast alle, die FDP hatte so ihre Probleme) gar keine Frage. Es war eine Formsachen, denn der Verein erfüllte alle Anforderungen. Natürlich stimmten die drei Ultrarechten im Kreistag (zumindest zwei sind stark evangelikal eingefärbt) dagegen und faselten was von Beeinflussung von Jugendlichen und was man halt so kennt aus dieser Ecke. Wieder ein Punkt, der demokratische Standfestigkeit und Abgrenzung erfordert, denn von dort ist der Schritt zur völligen Abschaffung der Poolförderung, die ja eine Freiwilligkeitsleistung ist, nicht mehr weit. Wozu Frauen für den Wiedereinstieg ins Berufsleben fit machen, die sollen daheim am Herd bleiben und sich gefälligst brav dem sonst gerne mal handgreiflichen Ehemann unterordnen.

Drittes Beispiel. Klimaschutz. Unser Landkreis unternimmt in dieser Richtung gerade sehr viel. Da geht es um Beratung zu erneuerbaren Energien, Klimaschutzpläne, über Maßnahmen zur Anpassung an die Klimakatastrophe (soweit das geht) und zum Umbau des Waldes. Da ist auch viel Freiwilligkeit in dem dabei, was da gemacht wird und da der Mensch in der Fantasiewelt der Nazis aufs Klima ja eh’ keinen Einfluss hat, wäre viel davon bei einer AfD-Landrätin bei uns sofort weg. Auch da muss man sich dagegen stemmen.

Einen Punkt habe ich noch, der vielleicht nicht unbedingt so sichtbar würde, wie die oben genannten. Da kommen wir zurück darauf, dass so ein Landratsamt ja einfach auch eine große Behörde ist, die geführt werden muss. Gar nicht so einfach, wenn man den sich weiter verschärfenden Fachkräftemangel bedenkt. Da sind neue Arbeitsmodelle gefragt. Ob das mit dem autoritären Menschenbild von Faschisten zusammen passt? Da tun sich ja schon ganz andere schwer. Wieder ein Punkt, bei dem ganz genau aufpassen muss.

Nochmal, diese willkürlich gewählten Beispiele kommen aus meiner Erfahrungswelt im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald. Es mag nicht alles auf Sachsen oder ein anderes Bundesland direkt übertragbar sein. Viel anders ist es aber da auch nicht. Und genau deshalb ist es auch unterhalb der gesetzgebenden Körperschaften wie Bundestag und Landtage so wichtig, dass man unverrückbar gegen Faschisten steht. Faschisten machen faschistische Sachen. Immer. Wenn sie dürfen. Das dürfen Demokraten nie erlauben oder zulassen. Wir haben doch gesehen, wie das geht und wo das hinführt. Der Faschismus kommt nicht mit einem Urknall. Er breitet sich aus wie ein Feuer. Da helfen Brandmauern und die braucht man auf allen Ebenen.

Genau das macht die Aussagen von Friedrich Merz so gefährlich.