Wir sind nicht im Krieg

Nach den schrecklichen Attentaten in Brüssel kam verschiedentlich der Vergleich mit einem Krieg auf. Das halte ich für falsch, auch wenn ich die Wahrnehmung als solche nachvollziehen kann.

Ganz trivial lässt sich das widerlegen, in dem man in echte Kriegsgebiete schaut. Die Menschen in Syrien oder in Gebieten der Ukraine würden wohl liebend gerne mit unserer Bedrohungslage tauschen und sie als tiefen Frieden empfinden. Schon deshalb ist der Vergleich falsch.

Das ist kein Krieg, das ist eine Terrorwelle.

Und selbst unter diesem Aspekt ist die Bedrohung europaweit heute eher niedriger als früher. Die Zahl der Terrortoten ist seit den Siebzigern und Achtzigern dramatisch gesunken und höhere Zahlen in manchen Jahren sind klar Einzelereignissen zuzuordnen. Eine schöne Erläuterung dazu ist auf Zeit online erschienen. Dort findet sich auch diese Grafik:

Infographic: Victims Of Terrorist Attacks In Western Europe | Statista
You will find more statistics at Statista

Schon richtig: Die meisten Opfer aus den Siebzigern/Achtzigern sind von lokal begrenzt operierenden Organisationen zu verantworten: Die IRA in Nordirland, die ETA in Spanien, dergleichen.

Dieses Mal geht es gegen Europa als Ganzes. Gegen unseren Lebensstil, gegen unsere Freiheit. Und genau schon deshalb sollten wir selbstbewusster damit umgehen. Wir dürfen nicht in Angststarre verfallen, denn dann geben wir unsere Freiheit auf und verlieren das, was uns wichtig ist.

Natürlich müssen wir in Europa sehen, wie wir gemeinsame Abwehrstrategien entwickeln können. Da liegt es nahe, Prozesse abzustimmen und Verknüpfungen von Datenbanken hinzubekommen. Das ist Polizeiarbeit und die Arbeit der Innenministerien, europäischen Behörden und so weiter.

Wir müssen aber tunlichst darauf achten, dass unsere Bürgerrechte nicht unter die Räder kommen. Und unsere Werte, unsere Grundrechte, der von uns geliebte Lebensstil mit offenen Grenzen und Freizügigkeit.

Dazu gehört dann aber auch unser Umgang mit Schutzsuchenden. Pauschalurteile gegen Flüchtlinge sind widerlich. Die Attentäter von Belgien waren und sind Belgier. Sie sind das Resultat einer nicht erfolgten Integration an den Rändern großer Städte. Stattdessen: Segregation in Parallelgesellschaften. Das müssen wir vermeiden. Und dieses Streben passt auch viel besser zu unserer Kultur, unserer freiheitlichen und humanistischen, gerne auch christlichen Gesinnung. Ich zitiere dazu den Schauspieler Hannes Jaenicke:

Man muss kein Historiker sein, um zu wissen, dass Segregation noch nie funktioniert hat, Integration aber umso besser. Und, dass eine ausgestreckte Hand mehr bringt, als eine geballte Faust.

Quelle:

„Als Obama sagte ‚Yes we can‘, hat die Welt ihn bejubelt. Wenn Merkel sagt ‚Wir schaffen das‘ wird sie bei Pegida-Demos…

Posted by Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) on Donnerstag, 24. März 2016

Ich bleibe dabei: Es gibt keinen Grund sich selbst zu unterwerfen und die Vorstellung, wir wären im Krieg, gehört dazu.

Nachtrag vom 28. März. 2016
Constantin Seibt ordnet ein: „Seit dem World-Trade-Center-Attentat 2001 ermordeten islamistische Attentäter in Westeuropa und den USA etwa 450 Menschen. […] Allein in Deutschland sterben pro Jahr über 500 Leute an einer Fischgräte.“