Hartz 4 ist in der Diskussion und das ist gut so

Ich sehe dabei die Reformen aus der Zeit von Schröder noch nicht einmal als den großen Fehler der Sozialdemokratie, sondern als ein System, das große Schwächen hat, vierzehn oder so Jahre alt ist und ob der Herausforderungen der jetzigen Zeit einfach überarbeitet gehört. Das kann man auf mehreren Ebenen tun.

Habe lange überlegt, ob ich dazu schreiben soll, denn Hartz 4 ist schwer vermintes Gelände und es kann auf die Nuss geben, ganz egal was man schreibt. Aber was soll‘s, ich schreibe das hier nicht als der Weisheit letzter Schluss, sondern eher um zu sortieren, was ich bisher dazu aufgenommen habe und manchmal kriegt man ja noch einen neuen Impuls.

Die einfachste Herangehensweise ist Pragmatismus. Auf dieser Ebene würde das System zunächst so bleiben wie es ist und man würde ihm schlicht die Spitzen nehmen.

  • Man könnte ALG I verlängern und damit das Abrutschen nach Hartz 4 verlängern. Je nach Alter und Beschäftigungszeiten liegt die ALG-1-Bezugszeit zwischen 6 Monaten und zwei Jahren. Man könnte da jeweils was drauf geben.
  • Man könnte die Leistungen anpassen. Jüngst haben das fast alle Sozialverbände simultan gefordert. Vor allem das, was Kindern zusteht, ist beschämend wenig und reicht nicht aus. Aber auch andere Position reichen nicht für Teilhabe. So werden landauf, landab zum Beispiel Sozialtickets für den ÖPNV gefordert oder eingeführt.
  • Die Sanktionen des H4-Systems sind schlicht widerlich und könnten, ja müssten komplett abgeschafft werden. Ein Grundsicherung kann man nicht verringern.

Vielleicht sind solche Anpassungen das einzige, was sich zumindest in Ansätzen gegen die konservative Mehrheit im Bundestag durchsetzen lässt. Damit wäre dann aber für die Menschen schon wenigstens ein bisschen was gewonnen und das wäre ja schon mal was.

Vielleicht ist das aber tatsächlich auch der richtige Weg: Eine sukzessive Verbesserung der Lebensbedingung für die Menschen ohne den großen Wurf. Der ehemalige Caritas-Vorstand Georg Cremer plädiert dafür und seine Argumente sind nicht schlecht. Er fordert dazu eine andere Form der Debatte und auch da kann ich ihm in vielen Punkten zustimmen.

Natürlich kann und sollte man dennoch größer denken und auch dafür gibt es gute Ansätze. Das vom Berliner Bürgermeister Michael Müller ins Spiel gebrachte solidarische Grundeinkommen ist so ein Ansatz auch wenn der sehr teuer wird. Die Idee soll Langzeitarbeitslose ohne Perspektive über einen öffentlich geförderten Job auf Mindestlohnbasis in Lohn und Brot bringen. Eine zusätzliche Qualifizierung ist auch vorgesehen. Der Wirtschaftswissenschaftler Jürgen Schupp hält das für die bessere Alternative verglichen mit den jetzt angebotenen Ein-Euro-Jobs. Der Unterschied wäre die dauerhafte Perspektive solcher Arbeiten im Vergleich zu den befristeten Ein-Euro-Jobs. Man müsse aber genau darauf achten, dass durch solche Jobs keine reguläre Arbeit verdrängt werden darf, aber es gibt wohl Möglichkeiten zum Beispiel im Pflegebereich, in dem früher Zivildienstleistende einfach Aufgaben übernommen haben. Er fordert eine Positivliste für solche Jobs und kann sich vorstellen, auch ehrenamtliches Engagement mit einzubeziehen und zu entlohnen. Ein vollständiger Ersatz für irgendeine Form der Grundsicherung ist das aber nicht, denn es wird nicht für alle Langzeitarbeitslosen glücken.

Als großer Gegner all dieser Reformen wird derzeit natürlich Olaf Scholz nach vorne geschoben. Er will nicht am Grundprinzip von Hartz 4 rütteln und das heißt „Fordern und fördern“. Wenn man aber ehrlich ist: Nichts von dem hier genannten würde daran rütteln. Eher würden Ressourcen frei, die man dann mehr für das Fördern einsetzen könnte. Und das würden wir ja alle begrüßen, denn das deutsche Sozialsystem ist in der Tag vor allem eins: Ein Bürokratiemonster bei dem die Förderung oft genug auf der Strecke bleibt.

Ich habe für diesen Artikel die mir wichtigsten Quellen hinterlegt, aber so einiges bleibt unbelegt, da mir da die Zeit fehlt. Auf konstruktive Kommentare freue ich mich, die würde ich auch ggf. einarbeiten. Das übliche Politiker- oder SPD-Bashing werde ich non-chalant überlesen und vielleicht auch einfach löschen.